AÜG Expertenrat von Rechtsanwalt Stefan Leubecher

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Sehr geehrter Herr Leubecher,

die Änderung des AÜG am 01.04.2017 in Kraft getreten, deren Auswirkungen werden aber wohl erst im Laufe der Zeit wirklich sichtbar. Bis dahin bleibt mit vielen Umsetzungsfragen eine gewisse Unsicherheit sowohl auf Seiten der Personaldienstleister als auch auf Seite der Kunden. Die aktuelle Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit hat nicht in allen Punkten die erhoffte Klarheit gebracht. Für wie praxisnah halten Sie die Gesetzesänderung mit Blick auf den tatsächlichen Arbeitsmarkt?

Lassen Sie mich vorab bemerken, dass aus meiner Sicht die AÜG-Reform überflüssig ist. Mir sind nur wenige Branchen bekannt, bei denen die Ausübungen der Geschäftstätigkeit so intensiv reguliert und von den Aufsichtsbehörden überwacht wird, wie in der Zeitarbeit. So enthält das AÜG genaue Vorgaben für die Verleiher hinsichtlich der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern und bezüglich der Geschäftsbeziehungen zu den Kunden. Zudem unterliegen fast alle Beschäftigungsverhältnisse von Leiharbeitnehmern den mit den DGB-Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträgen. Kurz gesagt: Weitere Regulierungen waren unnötig. Um zu Ihrer Frage zu kommen. Die Gesetzesänderungen sind wenig praxisnah, da deren Umsetzungen -insbesondere beim equal pay der Leiharbeitnehmer- einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen.


Viele Begrifflichkeiten und Regelungen bleiben undeutlich, wie  zum Beispiel bei der synonymen Verwendung von Überlassungs- und Einsatzdauer. Über vieles wird die Rechtsprechung entscheiden müssen, aber natürlich möchte niemand ebendieser Präzedenzfall werden, aus dessen Schaden, der andere klug wird. Was raten Sie Betroffenen bis zu einer weiteren Konkretisierung durch die Gerichte?

Den Betroffenen, sprich den Zeitarbeitsunternehmen, ist zu raten, dass sie sich die neuen gesetzlichen Regelungen intensiv anschauen, da bekanntlich ein Blick ins Gesetz viel Geschwätz erspart. Bei der Umsetzung der Neuregelungen ist es sicherlich hilfreich die diesbezüglichen Ausführungen der Bundesagentur für Arbeit in den Fachlichen Weisungen zum AÜG vom 20.03.2017 zu beachten. Von praktischem Nutzen sind auch die Kommentierungen der Arbeitgeberverbände iGZ und BAP.


Themen equal pay und Höchstüberlassungsdauer. Das neue AÜG soll dem Wohle des Arbeitnehmers dienen. Dies lässt sich beim equal pay noch nachvollziehen, aber kaum bei der Höchstüberlassungsdauer, da diese dazu führt, dass eingearbeitete Kräfte nach 18 Monaten wieder den Einsatz beenden und durch neue Arbeitnehmer ersetzt werden müssen. Wie lässt sich damit in Zukunft umgehen?

Seit dem Inkrafttreten des AÜG im Jahre 1972 gab es eine Überlassungshöchstdauer, die sich im Laufe der Jahre von zunächst 3 auf 24 Monate erhöhte. Erst durch das erste 1. Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 22.12.2002 wurde die bis dahin geltende Überlassungshöchstdauer neben anderen Restriktionen abgeschafft. Bekanntlich brachte dies der Zeitarbeitsbranche eine Erleichterung für die Geschäftstätigkeit. So muss man kein Prophet sein, um aus der neuerlichen Beschränkung der Einsatzdauer zu folgern, dass dies das Geschäft der Zeitarbeitsunternehmen erschwert. Es muss jedoch erwähnt werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen hat, von den 18 Monaten abzuweichen und eine andere Überlassungshöchstdauer festzulegen, dies durch für den jeweiligen Kunden geltende Tarifverträge. Aufgrund aktueller Entwicklungen zur Verlängerung der Überlassungshöchstdauer durch Kundentarifverträge bzw. durch auf der Grundlage von solchen Tarifverträgen geschlossenen Betriebsvereinbarungen ist davon auszugehen, dass die Kundenbranchen in Zukunft vermehrt davon Gebrauch machen. Die Entwicklung bleibt also abzuwarten.
 

Spreu vom Weizen: Wie wird sich die Reform auf die Zeitarbeitsbranche auswirken?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich mögliche Auswirkungen der AÜG-Reform auf die Zeitarbeitsunternehmen nicht abschätzen. Auch hier heißt es Abwarten.
 

Ein Blick in die Zukunft: Was denken Sie muss passieren, damit das neue AÜG sowohl von Unternehmensseite völlig umsetzbar ist als auch dem tatsächlichen Wohle des Arbeitnehmers dient?

Ich sehe bei der Umsetzung der AÜG-Reform durch die Zeitarbeitsunternehmen keine größeren Schwierigkeiten. Aufgrund der in jüngster Zeit gesammelten Erfahrungen gehe ich davon aus, dass die Branche schon im Vorfeld des Inkrafttretens des neuen AÜG die Voraussetzung für eine rechtssichere Umsetzung geschaffen hat und auch etwaige aufgrund gerichtlicher Entscheidungen vorzunehmende Anpassungen meistern wird. Wie bereits ausgeführt, sehe ich nicht, dass die neuen gesetzlichen Regelungen zur Förderung des Wohles der Arbeitnehmer dienen. Wenn dies von politischer Seite darin gesehen wird, dass die Arbeitnehmer ab dem 10. Einsatzmonat das gleiche Arbeitsentgelt wie ihre Kollegen bei dem Kundenunternehmen erhalten, vermag ich dies nicht zu erkennen. Zum einen sind die Vergütungsbedingungen in der Zeitarbeitsbranche insbesondere aufgrund der Tarifverträge über Branchenzuschläge identisch bzw. nicht weit von denen beim Kunden entfernt. Mithin gehe ich nicht von einer signifikanten Erhöhung der Vergütung der Arbeitnehmer im Falle des equal pay aus.

 

 

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